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Sieh hin und hilf!

Sind Populisten wie AFD & Co apolitisch, weil sie mit dem Dissens Probleme haben ?

| Kategorien: Clubreport
 „Die Person in der Philosophie“ Prof.Dr. Jürgen Manemann.

Etymologisch steht Krise für eine problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation. In diesem Sinn ist die Welt in der Krise – eine Mehrheit fühlt es so. Ein Wendepunkt kann zu einer Verbesserung oder zu einer Verschlechterung führen.

Die Unsicherheit dieser Veränderungssituation – mit unklarem Ausgang – ist für viele schwer zu ertragen. Welchen Kurs muss die Gesellschaft setzen, um so schnell wie möglich – im Einklang mit ihren Werten –neuen, sicheren Boden zu betreten?

Als altgedienter Unternehmer kenne ich die Fragestellung. Nach meiner Erfahrung ist es im Sturm ohne Vision, ohne Wertekompass („wie soll die Welt nach der Veränderung konkret aussehen“) unmöglich, einen Kurs zu setzen. Und: wer keinen Kurs setzt, kommt nirgendwo an.

Für den Philosophen Jürgen Manemann ist ein Philosoph nicht primär analytisch nachvollziehend, sondern er ist eine mitfühlende Person im „Hier und Jetzt“, ein Individuum, das involvierter Teil der Gemeinschaft in der Krise ist. Sein Arbeitsziel ist es, das bessere Zusammenleben der Menschen aktiv zu fördern.

Nach seinem Verständnis ist diese Philosophie für die Gesellschaft eine Art „Strategische Stabsstelle “ für Werte und Visionen. Gerade während dieser Phase tiefgreifenden Wandels müssen diese aktualisiert werden. Die Philosophen betreiben gleichzeitig aber auch „gesellschaftsinternes Marketing“ (Kommunikation), damit sich die Bürger wieder mit dem – vielleicht etwas aus dem Blickfeld geratenen – Wertefundament verbinden und sie ihr Engagement reaktivieren. Ohne engagierte Bürger stirbt jede Demokratie (griechisch dēmos = „Staatsvolk). Aktivierende Politikethik in diesem Verständnis muss politisch sein.

Der Bürger ist die Grundeinheit der Gesellschaft. Wer die Gesellschaft bei den notwendigen Anpassungsprozessen unterstützen will, muss zuerst das Individuum bei seinem eigenen Transformationsprozess unterstützen. Das Paradigma der Sozialwissenschaften der Gegenwart ist, dass „das Politische in diesen Zeiten das Individuelle ist“.


Was ist das Wesen des Menschen? und daraus folgend: Wie kann ich einen Menschen zu Engagement motivieren?


Aristoteles : der Mensch ist als soziales, politisches Wesen angelegt („poli“ bezeichnet bei Homer die ummauerte Stadt). Hannah Ahrend: Aber erst durch unsere Sozialisation werden wir politisch.

Abstrakte sachliche Argumentationen aktivieren nichts und niemanden – im Gegenteil. Um an-sprechend zu sein, muss der Kritiker als Person spürbar sein. Es braucht Glaubwürdigkeit, Leidenschaft, Nähe und Mitgefühl, um Menschen – „individuelle Personen“ – zu erreichen. Gute Beispiele für die Kraft solcher Politiker waren Nelson Mandela, Martin Luther King oder auch Mahatma Gandhi.

Politische Kultur kann also nicht theoretisch erlernt werden. Nur wer den Wert gefühlt hat, versteht worum es geht. Daher ist es sinnlos, Werte nur zu predigen. Sie müssen vorgelebt und immer wieder geübt werden und dadurch erst werden sie zur Kultur.

Demokratie ist die beste Staatsform, aber sie muss von den Bürgern mit einer Portion Leidenschaft gelebt werden. Demokratie verlangt uns viel ab, vielleicht zu viel. Heute müssen wir wieder über die Grundlagen von Politik und Demokratie sprechen.


Was ist das Wesen der Politik?


Die Politik stellt die Spielregeln des Zusammenlebens auf und hält ihr Prozesse am Laufen. Weil in einer Gemeinschaft naturgemäß viele leben, gehören Vielfalt und damit Meinungsunterschiede zum Wesen des politischen Alltags. Wer Pluralität und Dissens abschaffen will, muss daher apolitisch sein. Dies trifft auf alte und neue populistische Bewegungen zu. Die AFD z.B. will ein moralisch reines Volk und die Eliten gehören nach ihrer Ansicht nicht zum Volk. Die AFD hat den Anspruch, das Volk zu 100% zu vertreten.

Wie konnte es soweit kommen, dass sich viele Bürger in wichtigen demokratischen Ländern durch traditionelle Politiker/Innen nicht mehr vertreten fühlen und scheinbar irrational wählen?

Zu viele in der jungen Generation erleben sich von guten Zukunftsperspektiven ausgeschlossen, ohne Einfluss auf eine aus den Fugen geratende Gesellschaft. Mussten sie das Wort „alternativlos“, das Unwort des Jahres 2010,  nicht so interpretieren, dass die jetzige Situation unabänderlich sei? Kommt uns der Sinn für Möglichkeiten abhanden, geht uns Zukunft verloren. Was vielen fehlt, ist genau das: Hoffnung! Dabei geht es kaum ums Geld. Es geht um einen glaubwürdigen Sinn im eigenen Leben und auch einen Sinn im großen Ganzen.

„Sinn“ finden die einen bei einer AFD/Pegida. Stellvertretend für das andere Spektrum stellte Jürgen Manemann ein linksautonomes Netzwerk vor. https://de.wikipedia.org/wiki/Der_kommende_Aufstand Sie sehen Symptome für den Zusammenbruch der westlichen Demokratien und proklamieren als Alternative eine Gesellschaft von föderierten Kommunen. Sabotage von Anlagen wird als legitimes Mittel erachtet. Das Manifest wurde 2007 anonym in Frankreich veröffentlicht und in viele Sprachen übersetzt. Wie bekannt, gab es in Frankreich in den letzten Jahren erhebliche Zusammenstöße mit der Polizei. Eine aktuelle Bertelsmann Studie geht davon aus, dass sich die weltweiten Revolten in den nächsten Jahren fortsetzen werden. Herr Maneman hat viele Kontakte zur deutschen Hiphop Szene. In ihren Texten spiegelt sich hierzulande die kritische Haltung wieder.

„Alternativlos“ ist ein aufschlussreiches Wort: „Alternativlos“ ist es niemals. Gerade in der Krise zeigen uns Visionäre den Weg in die Zukunft (wirtschaftlich z.B. Steve Jobs). Gerade in diesen Zeiten ist der Möglichkeitssinn wichtiger, als der Realitätssinn und Möglichkeiten entstehen durch Perspektivwechsel.

Im Alltag ist es für Politiker oft schwer, wenn die Bürger gegen das sind, was sie für alternativlos halten. Sie müssen aber wohl begreifen, dass eine Politik ohne Widerstände der Bürger keine Politik ist. Engagement lebt vom selbstständigen Denken.

Mensch: „Wir müssen sprechen“ – miteinander und nicht übereinander!