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Sieh hin und hilf!

Wieviel Wirtschaft verträgt die Wissenschaft?

| Kategorien: Clubreport

Der nachfolgende Clubreport über die Veranstaltung am 19.2.2018 wurde freundlicherweise von unserem Lions Freund Carl-Werner Kammeyer erstellt. Nicht nur in den Activities des Lions Club Hannover gilt „Sieh hin und hilf„, sondern auch bei einer Abwesenheit des Sekretärs. LF Kammeyer hat „hingesehen“ und „geholfen“. Dafür ganz herzlichen Dank, lieber Charly!

Hinweise zu den folgenden Club Abenden

Nach der Begrüßung gab der Präsident zunächst einige Hinweise:

  • Zwei Lions-Abende müssen gegeneinander getauscht werden. Das neue Programm:

19. März 2018 Cora Hermenau, Regionsrätin

16. April 2018 Prof. Dr. Karsten Danzmann

  • Der Thementag des nh-Distrikts findet am 10. März 2018 im Maritim Airport Hotel am Flughafen in Langenhagen statt. Unser LF Mathias Heinrich bietet dort einen Workshop an.

 Activity Aktuell: Klasse 2000

Die schon bewährte Kurzvorstellung unserer Activities übernahm diesmal LF Christian Beckmann mit dem Thema „Klasse 2000“:

Christian Beckmann

Es ist eine sehr traditionsreiche Aktivität, bei der wir als Paten an sechs Schulen für mehr als 30 Grundschulklassen aktiv sind. Von Lehrern und Eltern wird auch ein entsprechendes Engagement erwartet. Einer der Schwerpunkte unserer Arbeit liegt in der Regenbogenschule, Sarstedt, die als klassische Brennpunktschule gilt. Die Themen sind jahrgangsabhängig und beziehen sich z. B. auf Gesundes Essen, Bewegung und Entspannung, Problem- und Konfliktlösung und in der 4. Klasse erschreckenderweise inzwischen auch auf Rauchen und Alkohol. Das Budget betrug im Schnitt der letzten Jahre ca. 2.600,– Euro p. a.

Wieviel Wirtschaft verträgt die Wissenschaft?

Nach dem Essen begrüßte der Präsident die heutige Gastrednerin, Frau Dr. Gabriele Heinen-Kljajić, die ehemalige Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur. Sie sprach zu dem Thema:

Wieviel Wirtschaft verträgt die Wissenschaft?

Der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Wissenschaft hat auch in Hannover lange Tradition – so ist z.B. die Leibniz Universität aus einer höheren Gewerbeschule im 19. Jahrhundert hervorgegangen.

Heutzutage greift die Wirtschaft in die Wissenschaft ein –  wie man an dem traurigen Beispiel der Stickoxidversuche mit Affen im Auftrag des VW-Konzerns erkennen kann.

In Niedersachen lagen die Anteile der privaten Drittmittel aus der Wirtschaft 2014 bei 131 Mio. Euro – und hatten damit nur einen marginalen Anteil am Gesamtbudget aller Hochschulen in Höhe von 2,2 Mrd. Euro. Die jährlichen Steigerungsraten der Drittmittel sind allerdings geringer geworden und lagen in den letzten Jahren bei ca. 2% p.a. Eine Trendwende ist das wahrscheinlich aber nicht.

Die meisten Mittel fließen in die Bereiche Medizin und Ingenieurwissenschaften. Hier wird der Technologie- und Wissenstransfer gezielt gefördert.

Damit Wirtschaft und Wissenschaft sinnvoll miteinander kooperieren können, sind die wesentlichen Voraussetzungen dafür in Unabhängigkeit und Transparenz zu sehen.

Einige Beispiele sollen das verdeutlichen:

  • 90% aller Pharmastudien werden an Universitäten durchgeführt – aber die Entscheidung über die Veröffentlichung der Ergebnisse liegt bei den Unternehmen mit der Gefahr, dass wichtige wissenschaftliche Daten hinter verschlossenen Türen verschwinden.
  • Im Bereich der militärisch relevanten Rüstungsforschung stehen auch Fragen des „dual use“ (zivile und militärische Nutzung) im Raum – die Abgrenzungen sind aber nicht immer eindeutig und daher schwer zu treffen. Die Universitäten melden nach Abschluss der Arbeiten die Ergebnisse und sorgen damit für Transparenz. Es gilt aber grundsätzlich das Primat der Wissenschaftsfreiheit.
  • Transparenz über Mittel und Zweck muss es auch im Rahmen von Auftragsforschung geben. Hier spielt der Lobbyismus eine große Rolle, wenn es z. B. um Versuche mit Menschen und Tieren geht. Eine Kontrollinstanz könnte hier der Wissenschaftsjournalismus sein, der aber heutzutage überwiegend zu einem Wissenschaftsskandaljournalismus verkommen ist, weil entsprechende Fachkräfte in den Redaktionen fehlen.
  • Bei Stiftungsprofessuren durch Firmen nimmt der Stifter Einfluss auf die Ausrichtung des Lehrstuhls. Dies ist zu akzeptieren. Nicht hingegen, wenn versucht wird, Einfluss auf Berufungen zu nehmen oder die Forschungsergebnisse zu verwerten. Meistens erfolgt die Finanzierung für fünf Jahre, danach soll die öffentliche Hand die Finanzierung übernehmen. Dies sollte eine sinnvolle Lösung sein, auch wenn die landläufige Meinung entgegengesetzt ist. Die Einsichtnahme der Stiftungsverträge ist meistens nicht möglich.
  • Industriepromotionen sind eher kritisch zu sehen (Geheimhaltungsvorschriften). Prüfer und Honorarprofessor könnten aus dem gleichen Unternehmen kommen. Die Begleitung der Promotion und die gleichzeitige Förderung durch Drittmittel haben einen schalen Beigeschmack.

Als Fazit lässt sich ziehen, dass eine höhere Finanzierung durch Drittmittel grundsätzlich wünschenswert ist, aber zwingend Qualitäts- und Transparenzstandards einzuhalten sind. Universitäten dienen der Grundlagenforschung und nicht der Produktentwicklung. Drittmittel dürfen kein Lückenbüßer für fehlende öffentliche Gelder sein.

2018-02-19 21.22.52

An den Vortrag schloss sich eine lebhafte Diskussion verschiedenster Aspekte und Fragestellungen an, die die Worte unseres Präsidenten „dass wir ein sehr diskussionsfreudiger Club sind“, wieder einmal Wahrheit werden ließen.

Carl-Werner Kammeyer