Ethik im Wirtschaftsleben – der ehrbare Kaufmann im Kontext von Digitalisierung und Globalisierung
Dr. Yorck Schmidt Vorstand Lenze SE
Liebe Lions Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,
Vom ehrbaren Kaufmann ist die Reputation der Unternehmer in der öffentlichen Wahrnehmung weit entfernt. Im Ranking des Allensbach Instituts landet sie zuletzt im Mittelfeld. Das lässt die Frage zu gibt es in Zeiten von Kostendruck und Globalisierung noch den ehrbaren Kaufmann? Der andauernde Dieselskandal, Aufsehenerregende Insolvenzen wie die von Herrn Middelhoff geführte Arcandor Pleite, Steuerhinterziehungen von bekannten Managen wie Herrn Zumwinkel und Herrn Hoeneß oder Haftstrafen für Manager und Unternehmer mögen diese Zweifel eher noch verstärken.
Bereits im Mittelalter wurde in Kaufmannshandbüchern der Hanse der „wahre und ehrliche Kaufmann“ gepriesen. Er zeichnet sich durch grundlegende Tugenden aus wie Ehrlichkeit, Vorsicht, die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen, Ordnung und eine gute Erziehung – also eine Erziehung, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch Werte. Im Zuge der industriellen Revolution hat das Leitbild unter dem Einfluss des Manchester Kapitalismus deutlich gelitten. Aber es gab immer wieder zahlreiche ehrbare Kaufleute und Unternehmer, die es weiterentwickelt haben. So ist die Soziale Marktwirtschaft heute auch als ethisch völlig anders einzuordnen. Was gehört heute oder was könnte heute zu den Grundsätzen des ehrbaren Kaufmanns gehören?
Die erste Aufgabe von Unternehmen ist und bleibt natürlich, mit ihren Produkten und Dienstleistungen die Bedürfnisse ihrer Kunden vollsten zu befriedigen. Um das nachhaltig tun zu können, müssen sie investieren und dafür Gewinne erwirtschaften.
Ich denke, zum ehrbaren Kaufmann gehören auf jeden Fall ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein, langfristiges Denken und die Orientierung am Ziel der Nachhaltigkeit.
Ausgangspunkt ist immer das Nachdenken, die Richtschnur immer das Gewissen, erkennbar ist beides erst in der Qualität der Entscheidung und Umsetzung. Für individuelles Handeln erkennt der Mensch in der Regel was gut und was nicht gut ist. Als Richtschnur hat Kants Kategorischer Imperativ nichts an Aktualität verloren. Handle nur nach derjenigen Maxime durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. Die Fähigkeit zur Reflektion über das eigene Handeln geht mit der Verantwortung einher sich ethisch zu Verhalten.
Verantwortliche Führung ist letztendlich die Kunst des Aufbaus und der Gestaltung der Pflege von integren und nachhaltigen Beziehungen zu allen sogenannten Stakeholdern eines Unternehmens. Seien es die Kunden, die Mitarbeiter, die Lieferanten, die Gesellschafter, der Staat oder die interessierte Öffentlichkeit. Der ethische Kompass wird letztendlich immer durch das Reflexionsvermögen und selbstkritische Denken bei den wirtschaftlichen Entscheidungen oder deren Umsetzung sein.
Doch je anonymer und komplexer Strukturen in Unternehmen oder unter Marktbeteiligten sind, desto herausfordernder ist es der individuellen Verantwortung gerecht zu werden. Das Ausnutzen von unverhältnismäßigen oder manipulierenden Spielräumen, um auf Kosten von Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern, Kollegen oder der Solidargemeinschaft zu handeln widerspricht jedoch ganz der „Goldene Regel“. Und bringt die meisten Menschen in Gewissenskonflikte. So ist es entscheidend im Unternehmen Strukturen so zu gestalten, dass verantwortliches Verhalten in anonymen Strukturen nicht bestraft wird. Sie müssen so angelegt sein, dass es den Menschen leichter fällt sich entsprechend zu verhalten.
In der Gestaltung der unternehmerischen Rahmenbedingungen prägt das Unternehmen das ethische Verhalten vor. Im täglichen Handeln Integrität vorzuleben und einzufordern prägt eine intergre Unternehmenskultur, erforderliche Veränderungen, die Gestaltung von Wandel in den Unternehmen bietet gute Gelegenheit dies vorzuleben, das Führungsverhalten prägt es z.B. ob bei schwierigen Situationen den Mitarbeitern mit Rat und Unterstützung zur Seite gestanden wird. Größere Unternehmen haben die Anstrengungen in jeder Hinsicht rechtskonform zu agieren unter dem Begriff „Compliance“ zusammengefasst und unternehmen hier große Anstrengungen.
Die Globalisierung verschärft die ethischen Herausforderungen, indem wir gegenwärtig einen Wettbewerb der Nomierungsmacht und die Macht Spielregeln zu setzen, erleben. Die Länder der westlichen Welt die seit vielen Jahrzehnten davon ausgehen die solchen Initiativen aus ihren politischen Kulturen stammen, sind sich heute uneinig und müssen heute erleben, dass vor allem China, Indien und Russland diese internationale globale Normierungsmacht für sich beanspruchen. Wir erleben dies nicht nur im aktuellen Handels- und Zollstreit zwischen den USA, China und der EU, sondern auch bei sehr grundsätzlichen ethischen Fragen wir mit dem Schutz von Geistigem Eigentum, dem Datenschutz, dem Schutz der Arbeitnehmer oder der Umwelt umgegangen wird. Diese Kräfte und Dynamik der Globalisierung führen zu enormen zusätzlichen Herausforderungen bei unternehmerischen Entscheidungen und deren Umsetzung, denn wir müssen uns nicht nur in den Exportmärkten mit den dortigen Usancen auseinandersetzen, sondern auch mit internationalen Wettbewerbern die Folgen ihrer ethischen Handlung Maximen im Wettbewerb in unsere Heimatmärkte hineintragen.
Vergangenes Jahr haben über der führenden 100 Robotik- und künstliche Intelligenz- Experten, einschließlich Elon Musk von Tesla sowie Google Deep Mind Erfinder Mustafa Süleman eine öffentliche Warnung über die Risiken und Folgen super intelligenter Computer ausgesprochen.
Der entscheidende Wendepunkt in dem Computer in die Lage versetzt werden menschliche Intelligenz zu imitieren findet grade jetzt in diesen Jahren statt. Leistungsfähige künstliche Intelligenz, aufgepumpt mit immer komplexeren und leistungsfähigeren Algorithmen, gefüttert mit unendlichen Datenmengen, als auch mit Milliarden an Investitionen ermöglichen nun das maschinelle lernen in Exponentialform. Künstliche Intelligenz. Übernimmt bereits heute. Wichtige Entscheidungen. Dies weckt. Kritische ethische Herausforderungen. Für Unternehmen und die Gesellschaft.
Die große Herausforderung liegt nicht mehr darin, dass Computer wie Maschinen menschliche repetitive Arbeit verrichten, sondern dass sie über Algorithmen Urteilsvermögen imitieren und auf dieser Basis Entscheidungen im Auftrag von Unternehmen, Institutionen oder Menschen treffen. Also im Grunde den Kern der Individual- und Sozialethik berühren.
Wie können wir wissen, ob Computerentscheidungen frei von Vorurteilen, fair, vernünftig oder gar frei von Fehlern sind? Wie können wir Missbrauch verhindern? Ich möchte in diesem Kontext nur an Cambridge Analytics erinnern, die mit Facebook Daten den Ausgang des Brexit Votums und der US Präsidentschaftswahlen beeinflusst haben.
Die Entscheidung über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und deren verantwortungsvolle Nutzung wird über die Zukunft vieler Unternehmen im globalen Wettbewerb entscheiden. Es liegt an den beteiligten Unternehmen hier verantwortungsvoll zu handeln, die Chancen entschieden und mit Mut zu nutzen ohne grundlegende ethische Prinzipien zu verletzen.
Denn abschließend gilt auch hier: Der Ausgangspunkt ist immer das Nachdenken, die Richtschnur immer das Gewissen.
(Auszug aus dem Redemanuskript vom 02.07.2018)