Unser Clubmitglied Prof. Dr. Hans-Jürgen Christen ist Chefarzt der Neuropädiatrie des Kinder– und Jugendkrankenhauses AUF DER BULT.
Im Rahmen seiner Masterarbeit im Studiengang Medical Education hat er daran geforscht, wie die Weiterbildung von Assistenzärzten verbessert werden kann.
Was einen gute Arzt ausmacht ist vielfältig: Fachwissen, Kommunikation, Teamplayer, Manager, Anwalt seiner Patienten und lebenslanges Lernen. Medizinische Weiterbildung ist viel mehr als die Vermittlung medizinischer Erkenntnisse. Die meisten der Fähigkeiten kann man sich nicht in Vorlesungen aneignen und in trockenen Prüfungen abfragen. Die Einschätzung dieser Kompetenzen kann nur am Arbeitsplatz im Kontakt mit Patienten erfolgen.
In den USA wurde dazu das standardisierte Verfahren „Mini-Clinical Evaluation Exercise“ (Mini-CEX ) entwickelt und im Jahr 1995 erstmals publiziert. Ein erfahrener Arzt beobachtet für ca. 15 Minuten das Patientengespräch eines Assistenzarztes. Die Ergebnisse hält er kurz in einem Beobachtungsformular fest. Der Assistenzarzt nimmt mit dem gleichen Formular eine Selbsteinschätzung vor. Anschließend gibt es ein 5-minütiges Feedback Gespräch. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Gelungenen und dem, was noch weiter verbessert werden kann.
In der Praxis lernen Assistenten, insbesondere am Beginn ihrer Weiterbildung, aber oft mehr von erfahrenen Pflegepersonen als von den Oberärzten. Kinderkrankenschwestern haben häufiger Kontakt zu den Patienten und sind vertraut mit dem Informationsbedarf der Eltern. Es entspricht daher nur gesundem Menschenverstand, wenn auch die Pflege beim regelmäßigen, strukturierten Feedback mitwirkt. Interprofessionelle (Ärzte und Pflege) Praxis ist für die Versorgung der Patienten und ihre Sicherheit und für die Weiterbildung von Assistenten essentiell. Mini-CEX wird daher um die Pflege erweitert und wird zu Mini-CEX-plus. Die unterschiedlichen Berufsgruppen bringen jeweils ihre spezifischen Perspektiven ein. Der Arzt hat den Fokus auf der Fachkompetenz. Die Pflege schaut speziell auf die Kommunikation. Dabei hat es sich bewährt, dass das Feedback in 2 getrennten Gesprächen stattfindet.
Die Ergebnisse der Pilot-Studie aus 20 Feedback-Episoden (25 Teilnehmer) waren durchweg positiv. Im Feedback der Pflege wurde mehr Wert gelegt auf den Arzt-Patienten-Kontakt, Empathie, Blickkontakt und Gesprächsführung. Die Pflege hatte immer auch die soziale Perspektive und die Gesamtsituation im Blick.
Das neue erweiterte Format Mini-CEX-plus wurde auch im Alltag angenommen und hat sich bewährt. Die Assistenten haben von den Rückmeldungen der Pflege sehr profitiert. Die Pflege war auch motiviert, weil die Assistenten mit den Eltern mehr über Fragen gesprochen haben, die früher ansonsten immer wieder zu Rückfragen bei der Pflege führten. Auch die daraus entstehenden Rollenkonflikte waren beherrschbar, weil das Feedback durch Arzt und Pflege unterschiedliche Schwerpunkte hatte.
Die feste Etablierung dieses neuen Formates im Klinikalltag ist anspruchsvoll und dauert Zeit. Aber das Ergebnis zeigt, dass es sich lohnt.